Dienstag, 15. Februar 2011

Confoederatio Helvetica

Dem Weihnachtsmann sei Dank war ich stolzer Besitzer einer überaus flexiblen Zugfahrkarte. Und Dank der Terminierung des Heimspiels gegen Unterhaching am Freitagabend schienen der folgende Samstag und Sonntag prädestiniert für einen Kurzausflug ins Irgendwo. Nach dem üblichen Durchforsten der Spielpläne und Zugzeiten fiel die Wahl letztendlich auf die Schweiz. Auch weil der letzte Besuch bei den Eidgenossen schon wieder fast 4 Jahre her ist.
So ging es am Samstagmorgen um halb 5 mit einem 4-0 Heimsieg im Gepäck auf die Reise. Die 8,5stündige Zugfahrt von Erfurt über Fulda, Mannheim, Basel, Bern und Visp verlief ziemlich entspannt und ereignislos und endete dann am Fuße der Alpen, in Sion. Die nicht allzu große Stadt liegt inmitten von Gletschern, Weinbergen und Burgen. Das traumhafte Wetter tat sein übriges zu einem durchweg positiven Eindruck. Nach der Ankunft galt es zunächst die reservierte Unterkunft ausfindig zu machen. Dabei offenbarte sich auch gleich das größte Problem des Tages: die sprachliche Verständigung. Meine nicht vorhandenen Französischkenntnisse machten es im Telefongespräch mit der Vermieterin nahezu unmöglich die richtige Straße zu verstehen, das heißt die ungewohnten Laute den Namen im Stadtplan zuzuordnen. Erst das Buchstabieren brachte Erfolg. Also rein ins Haus und an einer Tür mit „Bed & Breakfast“ geklopft. Keine Reaktion. Also die Klinke nach unten gedrückt und schon stand ich mitten in einem Appartement. Da sprang mir auch schon ein Mann entgegen. Upps, falsche Tür. Sorry. Nach einem abermaligen Anruf, inklusive Buchstabieren, war mir nun auch die richtige Haustür bekannt. Fein. Und so gönnte ich mir erstmal eine kleine Nachmittagsruhe. 
Wieder erstärkt, rief dann der Tourist in mir zur Entdeckung der Stadt. Zum Glück war der sehenswürdige Teil der Stadt nicht zu umfangreich und der Rundgang nach knapp 1h vollzogen. In den Straßen herrschte durch die zahlreichen Straßencafes und die vielfältigen Sonnenbrillenmodelle südliches Flair. Mein persönliches Highlight war die Besteigung einer der Burgen der Stadt. Mindestens 8000m hoch! Aber als Belohnung gab es einen wunderbaren Blick über das gesamte Tal. 
Der Höhepunkt des Tages rückte somit immer näher: das Spiel der ersten Schweizer Liga FC Sion vs. AC Bellinzona. Am Stadion gab es beim Kartenkauf wieder ein Kommunikationsproblem: statt einer Karte für Block 7 sollte ich 7 Karten bekommen. Nein, danke. Eine reicht mir dann doch. Vor allem bei dem Preis von 45 Franken. Die Auswahl der Preiskategorie hat sich aber letztendlich als gut erwiesen, da sich hinter der Heimtribüne die Burgen und Gletscher auftürmten. Herrlich. Das kulinarische Angebot war eher wenig berauschend. Das Würstchen im Baguette gab es für knapp 4€. Aber die Getränkekarte wusste mit verschiedenen Weinsorten zu überraschen. Aus Kostengründen ließ ich allerdings von einer Verkostung ab.
Das sportliche Geschehen hat die Neue Zürcher Zeitung sehr treffend beschrieben: 

"Es war kein spannender Match im Tourbillon-Stadion. ... die Spieler rutschen reihenweise aus. Schöne Spielzüge gab es keine zu sehen. Die AC Bellinzona hatte wenig Interesse an einer flotten Partie; sie verweigerte sich richtiggehend. Der FC Sion hingegen mühte sich zumindest ab. Viel gelang ihm aber nicht. ... Nur 9200 Zuschauer wollten die Partie im Tourbillon sehen – trotz Gratiseintritt für Frauen. Viele andere weilten wohl noch im Après-Ski in den Skigebieten der nahen Umgebung. Sie verpassten nicht viel."
Somit hatte ich ausreichend Zeit mich der Umgebung zu widmen. Der Gästeblock war mit sieben Anhängern „gefüllt“, hinzu kamen drei vereinseigene Sicherheitskräfte. Die Unterstützung der Gastmannschaft war somit nicht vorhanden. Die Heimseite mit Singsang und Fahnen. Nichts Umwerfendens, aber immerhin. Umwerfend war dagegen das Panorama: Tribüne, Burg und Gletscher. Nach Abpfiff ging es dann wieder Richtung Herberge. Dabei schienen die Bürgersteige der Stadt schon hochgeklappt. Sollte mir recht sein. Nachtruhe. Zur Einleitung dieser lauschte ich noch ein wenig dem Schweizer Hörfunk. Da singt sogar Elton John auf Französisch. Verrückte Welt.
Am Sonntagmorgen war ich ziemlich zeitig wach. Um die Zeit bis zum Frühstück zu überbrücken, stattete ich dem meiner Herberge gegenüberliegenden Bäcker/Konsum einen Besuch ab. In der Duftwolke frischgebackener Brötchen und Croissants durchstöberte ich die Regale. Leider etwas teuer. Einzig das Bier hatte ein akzeptables Preisniveau. Und so stand ich dann mit ein paar Dosen Bier in der Warteschlange an der Kasse. Neben den Brötchenholenden Menschen, Sonntagmorgen, kurz nach 8. Ein schönes Bild.
Gegen 9 war es dann endlich soweit: Frühstück! Dieses gab es in der gefühlten Wohnstube der Vermieter. Sehr gemütlich. Auch für Unterhaltung war gesorgt: ein paar Leute einer Theatergruppe aus Genf. Der Tonmann, ein gebürtiger Schotte, war sehr gesprächig. Von der Problematik der Anerkennung des Schweizer Theaters im Ausland bis hin zu Oldtimer-Motorrädern wurde über alles  geredet. Als ich das Thema Fußball anschnitt und erwähnte, dass ich wegen des Spiels in der Stadt war, erntete ich nur ein ungläubiges „Are you crazy!?“. Vielleicht.
Irgendwann hieß es dann Goodbye und Nice to meet you. Schließlich hatte der Tag noch etwas Programm. Nächstes Ziel war die Bundeshauptstadt, nicht Landeshauptstadt, Bern. Gegen Mittag angekommen, erstmal den Rucksack ins Schließfach und auf zur Stadtbesichtigung! Um es kurz zu machen: nettes Städtchen, schöne Aussicht von oben (mein zweiter 8000er in 2 Tagen!!!), die Bären im Bärenpark noch im Winterschlaf, keine Rosen im Rosengarten, aber viel Sonne. Am örtlichen Stadion angekommen, stellte ich mich mal wieder die Hässlichkeit der modernen Stadien fest. Einzig die alte Uhr des früheren Wankdorfstadions erwärmte das Herz. Die Zeit bis zur Öffnung der Tore bzw. Gitter vertrieb ich mir mit Rumgucken. Besonders spannend: die mobilen Zäune, um die Gästefans vom Stadionbahnhof zum Gästeblock zu geleiten; in den lokalen Medien zuvor auch als Raubtierkäfig bezeichnet. Naja, der mittlerweile fast übliche Schutz der Bevölkerung vor leidenschaftlich singenden und springenden Horden.
  

 
Das Biljet für das heutige Spiel der ersten Schweizer Liga Young Boys vs. FC Zürich, gab es für schlanke 15 Franken. Dazu freie Platzwahl im Block. Einziger Nachteil: Familienblock. Letztendlich war es aber aushaltbar: nur aus dem Stadionheft gebastelte Papierflugzeuge und unter den Sitzen rumkrabbelende Kinder. Das Essensangebot dann übermäßig, gemäß dem modernen Fußball: Hühnchen, Pizza, Pasta, Kebap usw.. Ich entschied für eine Wurst vom Grill und ich muss sagen: 1A. Schön würzig und fettig. Fast wie eine Klobasa im Fußballmutterland Tschechien, aber 5mal so teuer. 
Das Stadion wirkt relativ langweilig. Zeit, dass sich die Tribünen füllen und sich auf dem Platz was bewegt. Und wie…
Das Spiel war ziemlich gut und endete 4-2 für die Gastgeber. Noch mehr zu gefallen wussten allerdings Heim- und Gästeblock. Vor dem Spiel gab es vom Stadionsprecher eine Durchsage, die gegen Gewalt, Pyrotechnik, Rassismus und Diskriminierung im Stadion aufrief. Was passt da nicht in die Aufzählung? Richtig, Pyro. Und das zeigten auch die beiden Fankurven. Während der Gästeblock beim Einlauf der Mannschaften von Bengalen & Co. erleuchtet wurde, zogen die Berner während des Spiels mehrmals nach. Herrlich.

 
 Nach dem Spiel ging es wieder auf die Heimreise. In Basel noch fix die letzten Franken und Rappen verklopft, ehe ich den Nachtzug  nach Erfurt enterte. Die Endstation des Zuges: Praha. Das weckt schon wieder das Fernweh. Aber meine persönliche Endstation hieß zunächst Erfurt Hauptbahnhof. Montagmorgen, 3.37 Uhr.
Fazit: 48 h unterwegs, 17 h auf den Gleisen, 3 h Fußball und viel Sonnenschein. Erholung für den Geist. Für den Körper eher weniger ;)
PS: Wäre es für die Menschheit nicht leichter, wenn sich die Schweiz mal EINE eigene Sprache zulegen bzw. sich auf EINE fremde festlegen würde?

1 Kommentar:

marco hat gesagt…

besonders bei der Biergeschichte musste ich lachen, ich kann mir das Entsetzen der anderen Konsumenten gut vorstellen :-D

Ich muss unbedingt mal bei einem deiner nächsten Ausflüge mitkommen!