Freitag, 2. September 2011

Lockruf des Ostens

Wieder einmal konnte ich dem verlockenden Ruf des Ostens nicht widerstehen. Schon das dritte Mal dieses Jahr. Aber man soll seinen Bedürfnissen ja ruhig mal nachgehen. Nachdem die Slowakei Ostern in Sachen Fussball angekratzt wurde, sollte das ganze nun vertieft werden, mit einem Abschluss in Prag.

Wie es die Spiel- und Zugfahrpläne so wollten, begann die Reise am frühen Dienstagabend.
Tiefgekühlt ging es zunächst nach Dresden und nach etwas Aufenthalt dann richtig los: im Nachtzug bis Bratislava. Wie so üblich sammeln sich in Nachtzügen Menschen aller Couleur. Mal ist das unterhaltsam, mal anstrengend. Dieses Mal war glücklicherweise das erstere der Fall. Mit mir an Bord waren die kolumbianische Unterwasser-Rugby-Nationalmannschaft und eine deutsch-ungarische Reiseführerin, die früher mal mit Fidel Castro getanzt hat. Also ein bunt gemischter Haufen mit allerhand Geschichten im Petto. So verlief die Fahrt recht kurzweilig und wegen allgemeiner Müdigkeit konnte ich sogar etwas Schlaf genießen. Gegen 6 Uhr war dann Bratislava erreicht. Leider etwas unpünktlich, sodass mein direkter Anschlusszug ohne mich fuhr. Aber so blieben 2 Stunden Zeit zum wach werden, Frühstücken, Kaffee trinken und den Gang zur Morgentoilette. Ganz wichtig auch, das Sitzfleisch zu entspannen! 

24.08. FC Spisska Nova Ves - FC Lokomotiva Kosice
Gegen 8 ging die Fahrt dann weiter, quer durchs Land und wunderbare Landschaften. Nach weiteren 5 Stunden war das Tagesziel Spisska Nova Ves erreicht. Ich war leicht froh, nach fast 20 Stunden angekommen zu sein. Die Freude wurde auch gleich durch eine Herberge direkt gegenüber dem Bahnhof gesteigert. Kurze Wege, hurra! 
Den Rucksack abgelegt, war das erste Ziel das örtliche Stadion, um das abendliche Spiel bestätigt zu wissen. Und so war es auch, perfekt. Bis zum Anstoss um 17.00 blieb also noch genug Zeit für einen kleinen Stadtrundgang (4 historische Gebäude hintereinander in einer Strasse), einen Kaufhallenbesuch und eine kurzen Nachmittagsschlaf. 
Wieder am Stadion gab es eine kleine Überraschung: kein Eintritt, keine Ordner, keine Polizei. Und das bei diesem „Kracher“ zwischen den beiden Drittligisten FK Spisska Nova Ves und FC Lokomotiva Kosice in der ersten Pokal-Runde. Immerhin hatte die Stadionkneipe geöffnet, wo es kühles Bier für einen gewohnt angenehmen Preis gab. Auch das Stadion wusste zu gefallen: eine überdachte Sitzplatztribüne, bröckelnde Stehplatzränge und die örtliche Kirche im Panorama. Spielerisch war es dagegen wenig berauschend. Das kam meiner aufkommenden Müdigkeit nicht wirklich entgegen. Die Halbzeit und den Beginn der zweiten Halbzeit verschlief ich also. Verpasst habe ich aber wohl nichts. Nach 90 Minuten stand es 1-1. Alles Daumendrücken für eine Entscheidung in der regulären Spielzeit, um dem Trauerspiel eine Ende zu bereiten, hat nicht geholfen. Aber der Schiedsrichter zeigte immerhin Einsicht und so gab es direkt das 11m-Schießen, dass die Gastgeber mit 4-2 für sich entschieden. 
Von dem Spiel gebeutelt war meine letzte Tagesaufgabe die Nahrungsaufnahme, die „landestypisch“ in einer Pizzeria erfolgte. Und dann war auch schon wieder die Müdigkeit präsent. Also ab ins gemachte Bett.

25.08. FC Spartak Trnava - FC Lokomotiv Moskwa
Am Donnerstagmorgen war ich recht zeitig wach, sodass ich noch genug Zeit, um was Essbares zum Frühstück zu besorgen. Den türkischen Kaffee slowakischer Art gab es am Bahnhofskiosk. Ich möchte echt mal wissen, was das für Kaffee ist. Jedes mal, wenn der Becher leer ist, sieht der Kaffeesatz aus wie Tabak. Naja, Hauptsache es schmeckt.
Der Reiseplan des Tages versprach 4,5 Stunden Zugfahrt nach Trnava. Ein Klacks. Also die gleiche Strecke wie am Vortag wieder zurück. Landschaftlich hat sich innerhalb eines Tages nicht viel verändert. Am frühen Nachmittag in Trnava angekommen, galt es zunächst die auserwählte Herberge zu finden und den Vermieter über meine Ankunft zu informieren. Hat dann auch erstaunlich leicht geklappt. Danach ging es direkt zum Stadion, um eine Karte zu besorgen. Diese gab es dann zwar nur noch für die Heimkurve, aber Hauptsache reinkommen. Der Preis von 10€ entsprach da gleich dem 2,5-fachen des normalen Ligabetriebs. Aber so ist
das halt. Bis zum Anpfiff waren aber noch fast 4 Stunden zu überbrücken. Also erstmal den Körper mit Nahrung versorgt und dann die Stadt besichtigt. Aufgrund der ermüdenden Hitze fiel der Kulturteil aber recht klein aus. Spannender war es, das örtliche Leichtathletikstadion anzuschauen. In der daneben gelegenen Turnhalle gibt es auch wunderbare Toiletten. Nur zu empfehlen. 
Irgendwann war die Zeit dann reif, wieder gen Heimstätte des FC Spartak Trnava zu spazieren. Unterwegs begegnete ich erst der Gästemannschaft des FC Lokomotiv Moskwa und dann den dazugehörigen Anhängern im Polizeikessel. Kleine, aber feine Gruppe, würde ich sagen.
Im Stadion bestätigte sich dann der äußere Eindruck: geile Hütte! Markante Flutlichtmasten, steile Hintertortribünen aus Stahl, eine kleine überdachte Haupttribüne und alles schon ein bisschen in die Jahre gekommen. Meine Eintrittskarte platzierte mich in der vorletzten Reihe am äußeren Rand – also mit bestem Blick über das ganze Geschehen. Zu Spielbeginn zeigte die Heimkurve eine feine Papierzettelchoreo und ab da gab es lautstarke Unterstützung. Die Gäste gaben auch ihr bestes – viel in Bewegung – aber ohne Chance. Auf dem Spielfeld ergab sich auch ein ganz interessantes Spielchen. Nach der 0:2-Niederlage im Hinspiel führten die Gastgeber zur Halbzeit mit 1-0. In der zweiten Hälfte dann ein Elfmeter für die Gäste, Rot für den slowakischen Tormann und der Ausgleich. Von da an war das Stadion ein richtiger Hexenkessel. Tobende Zuschauer, die bei jeder Gelegenheit gegen die Schiedsrichter und Moskauer pöbelten. Auch etliche Wurfgegenstände und ein paar Böller fanden ihren Platz auf dem Rasen. Schön zu sehen, wie ein Moskauer am Spielfeldrand liegt, mit irgendwas beworfen wird und plötzlich wieder laufen kann. So endete das Spiel
unentschieden, wodurch Spartak ausgeschieden war. Trotzdem wurde die Mannschaft gefeiert. Und ein herrlicher Fussballabend unter Flutlicht fand so sein Ende.

26.08. SK Slavia Praha - FK Mlada Boleslav
Am Freitag stand dann die Weiterreise mit dem Bus nach Prag auf dem Programm. Auf dem Weg zum Busbahnhof wieder Frühstück und Kaffee organisiert und dann nach dem richtigen Bussteig Ausschau gehalten. Nichts zu finden. Naja, war ja noch Zeit. Also erstmal eine Toilette gesucht. Im Bahnhof gab es eine, eine besondere: wie in Osteuropa üblich gab es die abgezählten Blätter Toilettenpapier von der Klofrau und zusätzlich einen Schlüssel für die zugewiesene Toilettenkabine. Welchen Zweck das hat, kann ich nicht sagen, ist aber mal was anderes. 
Zurück am Busbahnhof war immer noch kein Bus nach Prag ausgeschrieben, weder an den Fahrplänen, noch an der elektronischen Anzeigetafel. Ich muss zugeben, ich war leicht besorgt. Die Zeit verging, Busse kamen an, Busse fuhren weg. Und plötzlich, aus dem Nichts, ein hochmoderner Reisebus. Nach Prag! Jawoll! So einen Luxus habe ich echt noch nie in einem Bus erlebt: ein Bildschirm mit Touchscreen an jedem Sitzplatz. Filme, Musik, vielfältiger Unterhaltungskram. Es gab auch deutsche Filme: Winnetou und Der Schatz im
Silbersee. Klassiker! So vergingen die 5 Stunden bis in die tschechische Hauptstadt recht zügig. Zur Perfektion haben nur noch die Stewardessen von StudentAgency gefehlt.
In Prag wartete dann auch die obligatorische Hitze der letzten Tage. Nach einer kleiner Wanderung war die Herberge erreicht. Ein Bett im 8-Bett-Zimmer. Mit viel Schlaf war nicht zu rechnen. Hauptsache ein Dach über dem Kopf. Aber eins nach dem anderen. 
Bis zum Abendspiel war wieder viel, viel Zeit. Also erstmal auf die Suche nach einer landestypischen
Gaststätte. Nach einiger Zeit hat mich der Biergeruch vom Bürgersteig in eine Lokalität gezogen. Ein schöner Laden mit selbstgebrautem Bier. Dafür ohne Klimaanlage. So war es drinnen noch heißer als draußen. Dazu kühles Bier und heißes Essen (Knoblauchsuppe und Böhmische Platte). Ein Fest. Und zugleich eine Qual für den Körper. Aber was muss, das muss. Danach hab ich mich erstmal erschöpft in mein Herbergsbett gelegt.
Wieder bei Kräften lockte schon wieder der Fussball, das Erstligaspiel Slavia Praha vs. Mlada Boleslav. Bis zum Einlass war aber noch Zeit, um das Drumherum zu erkunden. Von außen wirkt das Stadion als Neubau recht langweilig. Nur die Fassade der Rückseite fiel auf: unverputzt. Keine Ahnung, ob da noch angebaut wird oder ob das Geld alle war. Jedenfalls ein schöner Kontrast zur restlichen Moderne. Neben dem Stadion gibt es übrigens ein riesiges Einkaufszentrum, zumindest für den Zeitvertreib ganz interessant. Und billig essen kann
man dort wohl auch. 
Dann war die Zeit reif und die Stadiontore wurden geöffnet. Mit Freude bemerkte ich die Schilder an den Versorgungsständen: Aktion! 2 Bier für 50 Kronen! Na das nenne ich mal fanfreundlich! Später gab es dann noch eine leckere Klobasa. Der Gaumen war würdig verwöhnt und der Körper für die Strapazen der letzten Tage entschädigt!
Das weitere Geschehen im Stadion wurde vom Abschied des ehemaligen Slavia-Torhüters, der im Sommer seine Karriere beendete, geprägt. Vor dem Spiel ein Dankeschön des Vereins, die Bilder seiner Karriere auf der Leinwand, dazu „The show must go on“ von Queen. Wirklich rührend. Nach dem Spiel dann eine schöne Choreographie der Fans, während der Ex-Torwart mit einem Bengalo über den Platz spaziert. Herrliche Bilder. Immer wieder rufen die Fans seinen Namen, minutenlang. Muss wohl ein richtig guter Mann gewesen sein. Das habe ich so echt noch nie erlebt und hat alles andere auf der Reise in den Schatten gestellt. 
Das Spiel selbst war weniger aufregend, ein durchschnittliches 1-1. Nach Abpfiff ging es wieder Richtung Hostel und beim letzten Feierabendbier ließ ich die Erlebnisse der vergangenen Tage Revue passieren.

Nach einer recht unruhigen, aber zumindest kuschlig warmen Nacht rief im Morgengrauen schon wieder die Heimat. Mit Schnellzügen ging es über Dresden zurück in die Blumenstadt, wo ich zur Mittagszeit pünktlich zum Heimspiel der Rot-Weißen eintraf.

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