Donnerstag, 6. Oktober 2011

Von Hopfenbauern und Lutschern

Die Reportage des DSF „Die Groundhopper“ begleitet fünf Unerschrockene auf ihrer Tour durch Tschechien im Opel Corsa. Ein absoluter Klassiker!
Fast so ähnlich verlief das letzte Wochenende. Mit einem Plan möglicher Spiele und einigen Überraschungen in Tschechien.

Freitagmittag sammelte sich die Reisegruppe, um im komfortablen Kleinwagen die Reise in Angriff zu nehmen. Aus Respekt vor dem zum Alkoholverzicht gezwungen Fahrer wurden die ersten Biere aber erst auf der Autobahn geöffnet. Kurz darauf war die Urlaubsstimmung aber schon wieder hinüber – Stau. Der für den Abend geplante Besuch eine Eishockeyspiels in Kladno geriet dadurch immer weiter in die Ferne.
Da kommt plötzlich von der Rückbank der Einwurf: „Ich glaube irgendwo zwischen der Grenze und Prag findet heute ein Viertligaspiel statt.“ So ganz nebenbei.  
„Wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.“
Nach kurzer Recherche im Buch der tschechischen Fußballrekorde (die 2,50€ dafür beim letzten Tschechien-Besuch waren also Gold wert) und einem Telefonat war das neue Tagesziel geklärt: Blsany. Um auch dorthin zu kommen, wurde an einem Rastplatz noch schnell eine Landkarte gekauft und schon konnte die Fahrt wieder entspannt und frohen Mutes weiter gehen. Nachdem auch der Chemnitzer Feierabendverkehr erfolgreich durchgequert war, lag uns Böhmen quasi schon zu Füßen. Über Felder und Hügel ging es durchs Land. Sehr schön. Und schon erscheint das Ortsschild von Blsany. Ab diesem Augenblick reihten sich die glücklichen Umstände schier endlos aneinander.
Beim ersten Blick über die Ortschaft fielen sofort vier alle Häuser überragende Flutlichtmasten ins Auge. Wahnsinn! Und das bei einem Verein der vierten Liga.
Weiter ging die Fahrt Richtung Ortsmitte und schon war das scheinbar einzige Hotel gesichtet, direkt am Markt-/Dorfplatz. Bei der Einfahrt auf den Parkplatz gleich die nächste Überraschung: ein PKW mit EF-Kennzeichen. Nun ja, die Welt ist klein.
Nachdem wir ein Zimmer bekommen hatten, ging es gleich Richtung Stadion. Aber zuvor gab uns die Hotel-Mutti noch folgende Info mit auf den Weg: Blsany hat einige Jahre erste Liga gespielt und trägt den Titel „Kleinster Ort, der jemals erste Liga gespielt hat“ im Guiness-Buch der Rekorde. Unglaublich. Und wir sind hier zu Gast.

30.09. FK Chmel Blšany - SK Zápy, Divize B
Am Stadion angekommen, drehten wir erst mal die obligatorische Foto-Runde, ehe wir das Vereinsheim betraten. Schön urig und mit allerhand Wimpeln und Bildern behängte Wände.
Nach dem ersten Bier fiel uns plötzlich ein RWE-Wimpel ins Auge. Warum hängt hier, gelinde gesagt am Arsch der Welt, ein Wimpel unseres Vereins??? Ein deutschsprechender Tscheche klärte uns auf, dass es wohl mal ein Testspiel gegeben haben muss. Aber wann und wo wusste er auch nicht. (Wie ich jetzt weiß, fand es im Steigerwald am 24.7.1999 vor 460 Zuschauern statt, Endstand 1-2).
Na, das ist doch mal eine Überraschung!
Da der Anstoß nahte, tauschten wir die Plätze im Vereinsheim mit denen auf der Haupttribüne. Zur Halbzeit ging es aber wieder ins Heim, um mal nach einem Wimpel des Vereins zu fragen. 
Ich sags gleich, von der zweiten Halbzeit haben wir nichts mehr gesehen.
Im Vereinsheim war zur Halbzeit gut Betrieb, auch der Ordner gönnte sich sein wohlverdientes Bier. Gibt es trinkende Ordner in Deutschland? Original Tschechien!
Unsere Frage  nach dem Wimpel wurde zunächst nicht weiter beachtet, da sich scheinbar wichtige Menschen zum Besuch angesagt hatten. Aber kurz darauf kümmerte sich der deutschsprechende Tscheche wieder um uns. Nach einigem hin und her mit den anderen Anwesenden, verließ ein älter Herr das Geschehen, um uns Wimpel zu holen. In der Zwischenzeit erhielten wir eine kurze Geschichtsstunde über den Verein. Der ehemalige Präsident war auch Präsident des tschechischen Fussballverbandes und auch Mitglied im UEFA-Exekutiv-Komitee. Also ein hohes Tier mit viel Geld. Als Beweis zeigt man uns ein Foto, wo der ehemalige UEFA-Präsident Johannson vor dem Vereinsheim sitzt. Unglaublich. Mittlerweile wurde der gute Mann aber wegen Kredit-Betrug verklagt.
Und wie der Zufall es so wollte, war es dieser ehemalige Mäzen, der nebenan saß und die Aufruhr in der Halbzeit verursachte.  Es wurde irgendwie immer kurioser.
Da wir ja eigentlich zum Fußball schauen hier waren, wollten dann mal wieder raus aus dem Vereinsheim. Aber da wurde auf einmal Schnaps angeboten. Da kann man ja nicht nein sagen.
Und dann fragte die Wirtin auch noch, ob wir nicht Hunger hätten. Ach, klar.
Wir waren im Paradies!
Wenig später kam dann auch der ältere Herr wieder, mit drei Wimpeln aus seiner privaten Sammlung. „Hier, die könnt ihr haben. Die habe ich doppelt.“ Hammer!
Mit Spielabpfiff vergrößerte sich die Tischrunde weiter. Der trinkfreudige Ordner stieß hinzu. Und eine weitere „Legende“, der Vater von Horst Siegl (ehem. Bundesligaspieler und jetzt bei Blsany).
So verging die Zeit bei Bier, Pfefferminzschnaps und Anekdoten wie im Flug. Der Höhepunkt war dann erreicht, als der Wimpel-Opa anfing, uns mit dem Rest seines Essens zu füttern. Ach übrigens heißt Chmel auf Deutsch Hopfen. Von daher der Spitzname des Vereins - die Hopfenbauer.
Mir fehlen echt die Worte. Diese Gastfreundschaft. Die ganzen Geschichten. Einfach Wahnsinn.
Irgendwann war es doch Zeit, uns zu verabschieden, schließlich hatten wir ja für den Folgetag noch einiges auf dem Plan.
Auf dem Heimweg wurde noch kurz das Bier in der einzigen Kneipe am Marktplatz getestet, wobei das Aneignen einiger Biersouvenirs letztlich erfolglos blieb. Man kann halt nicht alles haben.

Am nächsten Morgen steckte uns der vergangene Abend noch in den Gliedern. Was hilft da besser als ein großes Frühstück, serviert von der Herbergsmutter: Eier mit Speck und allerhand andere essbare Dinge. Wirklich klasse!
Mit ein paar geschmierten Broten im Gepäck hieß es dann Abschied von Blsany zu nehmen. Das nächste Spiel wartete schließlich. Durch Hopfenfelder und das Bierdorf Krusovice ging es nach Kladno.

1.10. (10.15) SK Kladno – MFK Chrudim, Česká Fotbalová Liga
Dank optimaler Reisevorbereitung war das örtliche Stadion pünktlich eine halbe Stunde vor Anpfiff erreicht. Eintrittskarte und Programm gab es wie gewohnt günstig und nach der Foto-Stadion-Runde wartete schon das Guten-Morgen-Bier in der Vereinskneipe. Im Gegensatz zum Vortag wurde das gesamte Spiel von der Tribüne aus betrachtet, war ja auch bestes Wetter. Dennoch habe ich kein spielerisches Highlight in Erinnerung. Schlussendlich siegten die Gäste mit 3-1 vor 230 Zuschauern. Nach Abpfiff galt es wieder das Reisemobil zu besteigen. Das nächste Ziel: Prag.

1.10. (13.00) AC Sparta Praha U19 - 1. FC Slovácko U19, 1.liga staršího dorostu U-19
Ohne Zwischenfälle wurde der Wagen wenig später im ehemals größten Stadion der Welt geparkt. Das Strahovsky Stadion fasst 220.000 Zuschauern und diente früher Turnfesten, Spartakiaden und anderen Massenveranstaltungen. Heute beherbergt es das Nachwuchszentrum von Sparta Prag. Neben einem Funktionsgebäude gibt es insgesamt 8 Plätze. Und eben auf einem dieser fand unser auserwähltes Spiel statt. Die A-Jugend von Sparta empfang den 1.FC Slovacko. Ehrlich gesagt war mir ein Spiel noch nie so egal. Das Stadion zog einfach alle Aufmerksamkeit auf sich. Einfach unglaublich groß. Und die alten Tribünen mit ihren Sitzbänken...ein Traum.
Aber der Vollständigkeit halber, das Spiel endete 1-1 vor 100 Zuschauern. Darunter einige weibliche Augenweiten – dem Wettergott sei Dank war es richtig warm und die Kleidung entsprechend spärlich.

Mit Spielschluss war auch erst mal eine kleine Fußballpause angesagt. Zunächst wurde das Auto sicher in Bahnhofsnähe geparkt und dann das Hostel aufgesucht. Die Anpreisungen vorweg bestätigten sich: ein mit Bier gefüllter Kühlschrank im Hostel, ein Getränkekonsum und eine Pizzeria vor der Haustür. Alles was man zum Leben braucht. Natürlich wurde auch gleich unser Fahrer in die Runde des Bierkonsums integriert. Hat er sich auch verdient! Nach kurzer Regenerationspause nahmen wir den „weiten“ Weg zum nächsten Spiel in Angriff.

1.10. (19.30) FK Viktoria Žižkov - Bohemians 1905, Gambrinus-Liga
Etwa 5 Minuten vom Hostel entfernt, steht das Viktoria-Stadion. Dort angekommen machte sich wirklich Fußballatmosphäre breit. Viele Fans und Polizei, aber alles sehr entspannt.
Im Stadion ging mir das Herz dann noch weiter auf. Was für ein unglaubliches Essensangebot! Kartoffelpuffer, Fettbrote, zig Klobasa-Variationen. Kulinarisch betrachtet also das Highlight. Aber auch das Stadion selbst ist richtig schön, mitten im Wohnviertel. Dazu fasst ausverkauftes Haus und ein Flutlichtspiel. Und zur Krönung feuerten die Gästeanhänger ein wahres Supportfeuerwerk ab. In Tschechien bisher das beste Gesehene.
Zur Erheiterung trug auch das Halbzeitspiel der Einlaufkinder bei. Besonders überragend: Pavel Nedved sein Sohn (Name frei erfunden).Während des Spiels sorgten zudem mobile Bierfrauen für das leibliche Wohl.
Wen wundert es bei so viel Drumherum, dass das Spiel mal wieder in den Hintergrund geriet. Vor 4.380 Zuschauern feierten die Gäste einen 1:0-Auswärtssieg.

Der Tag fand dann im Hostel sein Ende, bei Bier und einer „kleinen“ Pizza.

Auch Sonntagmorgen war nicht an exzessives Ausschlafen zu denken, dank der heißgeliebten Tschechien-Anstoßzeit um 10.15 Uhr. Aber zunächst galt es sich für den Tag zu stärken. Das Frühstück war für Hostel-Verhältnisse wirklich gut, wenn auch nicht mit dem in Blsany zu vergleichen.

2.10. (10.15) FK Slavoj Vyšehrad - SK Sokol Brozany, Divize B
Mit der Metro ging es vom Bahnhof nach Vyšehrad und kurz darauf standen wir am erwünschten Sportplatz. Kein wirklicher Ausbau, aber immerhin mit Bierstand und Grill. Reicht ja auch. Und die Klobasi waren wirklich richtig gut. Ein Besuch lohnt sich also.
Da es Drumherum wenig zu sehen gab und das Publikum größtenteils aus alten Männern bestand, hatte man mal Gelegenheit das Geschehen auf dem Rasen zu verfolgen. Außergewöhnliches gibt es nicht zu berichten. Am Ende gab es einen 2:0-Heimsieg vor 267 Zuschauern. Einen kleinen Aufreger gab es aber doch: der Spielball fliegt ins Aus, in meine Richtung. Allerdings misslingt mein Fangversuch und so hinterlässt der Ball eine feine Beule in einem Auto. Na ja, ich war noch nie ein Torwart.
Mit dem halben Fan-Sortiment im Beutel (natürlich rechtmäßig erworben) ging es nach Spielschluss wieder ins Hostel, um sich für das eigentliche Highlight des Wochenendes hübsch zu machen und natürlich Bier für die Reise zu besorgen.

Hradec Králové wir kommen!!!
Als Fahrmittel wurde der Zug ausgewählt, weil tschechische Züge ja nun mal einfach toll sind. Alle Trainspotter wissen, was ich meine.
Auf der ersten Etappe wollte die Schaffnerin gleich mal einen Schnellzug-Aufschlag einkassieren. In Deutschland kostet das ein halbes Vermögen, in Tschechien keine 2€ für 3 Personen. Prima. Der Umstieg in Pardubice verlief zunächst problemlos, bis der Schaffner uns am nächsten Halt aus dem Waggon leitete und in einen anderen Wagenteil schickte. Danke! Zugteilungen gibt es also auch. Aber ein bisschen Action muss ja auch sein, sonst hätte ich ja hier nichts zu schreiben.

2.10. (17.00) FC Hradec Králové - SK Dynamo České Budějovice, Gambrinus-Liga
In Hradec Kralove angekommen fuhr dann doch keine Straßenbahn zum Stadion, sondern nur ein Bus. Ist ja letztlich auch egal, Hauptsache am Ziel.
Und der erste Anblick der Flutlichter (von den Einheimischen „Lutscher“ genannt) trieb einem fast Tränen in die Augen. Einfach herrlich, das mit den eigenen Augen sehen zu können.
Auch der Rest des Stadions wusste zu begeistern, ein schönes Eingangsportal, ein großes Oval mit Oldschool-Sitzbänken. Insgesamt fasst das Stadion bis zu 25.000 Zuschauer, momentan sind aber nur 7.000 zugelassen. Ansonsten fehlen mir immer noch die Worte, also am besten Bilder anschauen.
Verpflegungstechnisch war es auch sehr überzeugend, allen voran der Räucherofen.
Das Spiel spiegelte den Tabellenstand beider Mannschaften wieder, 11. gegen 15.. Nichts Erwähnenswertes. Dementsprechend endete das Spiel 0-0, vor 4.650 Zuschauern. Da half auch die örtliche Cheerleadergruppe nicht.

Vollkommen selig ging es dann wieder nach Prag im mit Studenten vollgepackten Zug. Überall das gleiche. Schlimm, diese „Ich fahre am Wochenende nach Hause-Studenten“.
Leicht geschafft im Hostel angekommen, schien der Tag ereignislos zu Ende zu gehen. Zumindest bis ein Gruppenmitglied halbnackt durchs Hostel spazierte und ein weiblicher Gast das ganze mit „Hast du eine Wette verloren?“ kommentierte. Geiler Spruch.
Damit war die Müdigkeit auch fast verflogen und dem Feierabendbier konnte die würdige Aufmerksamkeit entgegengebracht werden.

Am Montag musste dann leider Abschied von Tschechien genommen werden. Das Land und seine Menschen haben uns mal wieder verwöhnt. Der nächste Besuch lässt hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten.
Auf der Heimreise gab es aber noch einen fußballerischen Leckerbissen. Davon konnte uns auch eine merkwürdige Straßensperrung und anschließende Umleitung nicht abhalten.

3.10. SG Empor Possendorf – SV Einheit Kamenz, Sachsen-Pokal
Zu einem recht unterhaltsamen Spiel ohne Ablenkung von außen gab es Bratwurst, Fischbrötchen oder Makkaroni und natürlich Bier. Mit dem Abpfiff war für die Gäste durch einen 5:0-Sieg der Einzug in die nächste Pokalrunde besiegelt und unser Ausflug fußballerisch beendet.
Ohne weitere Vorkommnisse ging es zurück in die Blumenstadt.

Ein großes Dankeschön an den Fahrer und überhaupt an alle Mitfahrer für die geselligen Tage! Prost.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der Nackte im Hotel kann doch nur Henne gewesen sein, oder? Gruß Kapser

Anonym hat gesagt…

@ K-A-P-S

Richtig!