Samstag, 8. Oktober 2011

Nachtrag: Tallinn und Helsinki

Bevor es unter den Tisch fällt, nun nachträglich ein paar Eindrücke meines Ausflugs nach Tallinn und Helsinki.
Das Reiseziel wurde mal wieder durch den günstigsten Flugpreis und die Spielansetzungen bestimmt.
Der Abflug von Bremen am Samstagmorgen bescherte mir mal wieder eine Nacht am Flughafen. Zufälligerweise hatte der Bremer Vorort-Verein FC Oberneuland ein Heimspiel am Freitagabend. Das lässt sich doch wunderbar verbinden.
Also ging es Freitagmittag mit dem Zug von Erfurt gen Norden. Unterhaltung gab es unterwegs zeitweise von einer trinkfreudigen Feuerwehrmannschaft. Da fiel sogar ein Bier für mich ab. Danke und Gut Schlauch (oder so)!

23.09. FC Oberneuland  - TSV Wulsdorf, Bremen-Liga
In Oberneuland angekommen, erwartete mich ein verschlafenes Örtchen. Das setzte sich dann auch im Stadion fort. Gerade einmal 110 Zuschauer fanden den Weg dorthin. Keine Ahnung, was Menschen zu dieser Zeit anderes zu tun haben. Und außerdem war doch der TSV Wulsdorf zu Gast. Das Spiel selbst wusste aber zu unterhalten und endete letztlich mit einem 6:0-Heimsieg.
Danach machte ich mich auf den Weg zum Flughafen und machte es mir gemütlich. Die Sitzbänke in Bremen sind wirklich bequem. So verging die Nacht ereignislos, da größtenteils schlafend.

Am nächsten Morgen dann den Flieger bestiegen und überpünktlich zur Mittagszeit in Tallinn ausgestiegen. Erstes Ziel war das Stadtzentrum und die dortige, auserwählte Herberge für die nächsten 2 Nächte.
Als ich in mein Mehrbettzimmer eintrat, saßen gerade 7 Mädchen (oder einfach gesagt: Tussis) auf ihren Betten und waren mit Schminken, Haare machen, usw. beschäftigt. Die Freude über einen männlichen Mitbewohner war den Damen förmlich ins Gesicht geschrieben. Hehe... Zum Kennenlernen hatte ich aber keine Zeit, schließlich war ich wegen Fußball hier. Also die Tasche abgelegt und wieder raus.
Mittlerweile hatte es begonnen, in Strömen zu regnen. Dazu starker Wind. Gut, dass mein Regenschirm in Erfurt weilte. Bis zur Straßenbahnhaltestelle war ich schon gut durchnässt, aber das Adrenalin in mir ob des bevorstehenden Spiels ließ mich das kaum spüren.
In die Straßenbahn eingestiegen, ergab sich dann die Herausforderung, an der richtigen Haltestelle auszusteigen. Keine Durchsagen, keine Anzeigen, beschlagene Fensterscheiben.

24.09. (14.00) FC Flora – FC Levadia, Meistriliiga
Aber Dank eines älteren Herren hat es doch geklappt und ich stand wenig später vor dem ersehnten Stadion. Nur irgendwie gab es weder Kassen, noch geöffnete Eingänge. Leicht dubios das ganze, sollte hier doch gleich ein Erstligaspiel stattfinden. Nach einer Umrundung der „A.Le Coq-Arena“ fand ich dann doch noch eine Eingangstreppe. Zu meiner Überraschung wollte man nicht mal mein Geld. Eintritt frei – prima. Und zur Entschädigung dafür, dass es keine Eintrittskarte gab,  gab es ein kostenneutrales Programm. Toll. So gewinnt man Fans!
Das Innere des Stadions machte einen leicht unfertigen Eindruck. Dazu halbherzig abgesperrte Aufgänge und Tribünenabschnitte. Aber so konnte ich wenigstens überall herum spazieren, zumindest bis ein Sicherheitsmensch dann doch mal ein Absperrband aufhängte.
So langsam wurde mir dann leicht kalt, da ein ordentlicher Wind durchs Stadion wehte. Keine gute Kombination mit nassen Klamotten. Da hilft nur eins: Bier. Mein erstes estnisches. Marke: A.Le Coq. Testurteil: läuft.
Das Spiel selbst erwärmte wenig und gab schon mal einen Vorgeschmack auf die kommenden Spiele. Jetzt verstand ich auch, warum man keinen Eintritt nahm. Letztendlich verliefen sich 603 Zuschauer hierher und sahen einen 3:0-Heimsieg.
Mit dem Abpfiff galt es die Beine in die Hand zu nehmen und den Bus zum nächsten Spiel zu erreichen.

24.09. (17.00) FC Ajax Lasnamäe – FC Kuressaare, Meistriliiga
Dazu ging es in den Nordwesten der Stadt, bis zur Haltestelle „Kumu“. Dieses Kumu soll wohl ein tolles Museum sein. War mir aber eher egal. Ein paar Straßen weiter sollte nämlich das nächste Spiel stattfinden. Schon wieder war der Eintritt frei. Aber dieses Mal war es auch nicht mehr als ein Sportplatz, ein paar Funktionscontainer und eine kleine Sitzplatztribüne. Dazu ein schönes Plattenbaupanorama.
Der Tabellenstand der beiden Mannschaften versprach einen fußballerischen Leckerbissen. Der Tabellenletzte mit 4 Punkten aus 29 Spielen und dem Torverhältnis 8:136 empfing den Vorletzten.
Und ohne Scheiß, es wurde ein richtig spannendes Spiel. Zweimal führten die Gastgeber und ich dachte schon, ich würde den historischen ersten Saisonsieg miterleben. Aber Ende siegten die Gäste doch einigermaßen souverän 5:3 vor 73 Zuschauern.
Damit war der erste Tag in Tallinn mit zwei Spielbesuchen erfolgreich abgeschlossen.

Am Sonntagmorgen strahlte dann endlich die Sonne, so muss das sein.
Also bestes Wetter für ein Frühstück auf irgendeiner Parkbank und einen kleinen Stadtrundgang. Ja, nun, die Innenstadt ist recht historisch und schön hergerichtet. Dementsprechend tummeln sich dort viele Touristen. Einmal durchlaufen hat mir gereicht.
Nach ein wenig Zeittotschlagen war endlich wieder Fußballzeit.

25.09. (14.00) TJK Legion – Tamme Auto, Esiliiga
Zu bestaunen gab es einen Kunstrasenplatz ohne jeglichen Ausbau. Einzig eine kultige Vereinsbaracke, wo sich Spieler und Zuschauer die Toilette teilen, sorgte für Charakter.
Handgezählte 20 Zuschauer waren zu Gast und bezahlten sogar einen € Eintritt. Als Belohnung gab es am Ende ein 1:4 bei sommerlichen Temperaturen.

25.09. (17.00) FC Infonet – FC Flora II, Esiliiga
Zum nächsten Spiel brachte mich der Bus raus aus der feinen Innenstadt in ein graues Plattenbauviertel. Schon wesentlich sympathischer alles hier. Da mir im Bus ein älterer Herr mit einem Kauderwelsch aus Estnisch und Russisch ein Ohr abkaute, verpasste ich meine eigentliche Haltestelle. Die anfängliche Orientierungslosigkeit zwischen den Platten legte sich aber und wenig später war der nächste Kunstrasenplatz erreicht. Wieder ohne Ausbau, mit 3 kleinen mobilen Sitzplatztribünen. Aber immerhin erhielt ich für einen € ein Ticket.
Das Spiel war recht ausgeglichen und somit gut spannend. Nach 90 Minuten stand es 2:1, vor übrigens 70 Zuschauern.

25.09. (19.30) Kalju II – Orbiit, II liiga Ida/Põhi
Die Fahrt zum dritten Spiel des Tages war von Anfang an ziemlich knapp kalkuliert. Und so kam es, dass ich einen Anschlussbus verpasste. Aber immerhin erhielt ich eine schöne Stadtrundfahrt durch die Wohngebiete vom Osten der Stadt bis in den Südwesten.
Das Stadion, das am Waldrand eines dörflichen Stadtteils liegt, erreichte ich so erst 30 Minuten nach Anpfiff. Eintritt gab es nicht zu bezahlen, dabei hatte ich mich schon an den einen € für die estnische Fußballförderung gewöhnt. Trotzdem durfte ich die beiden Tore des Tages live miterleben, die zu einem verdienten Heimsieg vor 30 Zuschauern führten.

Ich muss zugeben, ich war vom Tag leicht geschafft. Umso größer die Freude, als ich im Hostel feststellte, dass meine 7 Mitbewohnerinnen bereits abgereist waren und ich mich so schön breit machen konnte.

Für Montag hatte ich die Fährüberfahrt nach Helsinki gebucht. So ging es in der Dunkelheit des frühen Morgens zum Hafen. Das Einchecken aufs Schiff hatte ich mir dann irgendwie umfangreicher vorgestellt. Letztlich  war es genauso spannend wie Bus fahren.
Auf dem Schiff selbst war dann schon mehr zu erleben: Geschäfte und Restaurants. Da ich die letzten beiden Tage kaum Geld ausgeben konnte, gönnte ich mir mal einen Frühstücksteller. War nicht wirklich lecker, aber zumindest hat es gesättigt. Den Rest der Fahrt verbrachte ich auf dem Sonnendeck. Nur war von der Sonne nichts zu sehen. Aber man konnte das Meer riechen und sehen. Nach 2,5 Stunden war die Fahrt beendet und ich setzte meinen Fuß zum ersten Mal in meinen Leben auf finnischen Boden. Welch historischer Moment.
Die Begeisterung für Helsinki hielt sich im Weiteren dann aber in Grenzen. Ich würde das Gesehene mal als unauffällig und nicht unbedingt sehenswert beschreiben.
So war ich schon zur Mittagszeit in Sachen Stadterkundung völlig demotiviert und machte mich auf den Weg Richtung Stadion und Hostel.
Das ausgewählte Hostel befindet sich in einem geschichtsträchtigen Gebäude, dem Olympiastadion von 1952. Herrlich. Und gleich daneben befindet sich auch das Sonera Stadium, oder auch Töölön jalkapallostadion genannt (nach dem Stadtviertel Tölöö), für das am Abend mein Besuch geplant war.

26.09. (13.00) NRC Helsinki – NRC Tampere, Spiel um die goldene Ananas
Um mir die vielen Stunden bis zum Anpfiff zu vertreiben, spazierte ich schon mal um das Sonera Stadium. Eine offene Tür verschaffte mir Eintritt in die Katakomben. Die Treppe runter und schon stand ich vor den Mannschaftskabinen. Ein paar Meter weiter und ich stand auf dem heiligen (Kunst-)Grün. Erstaunlich viele Menschen hier für Montagmittag. Und dazu diese Typen in Trikots. Wird hier etwa Fußball gespielt? Jawohl! Ein schöner Zufall und angenehmer Zeitvertreib. Zwei Amateur- oder Betriebsmannschaften standen sich im freundschaftlichen Vergleich gegenüber. War ganz nett anzuschauen, vom talentierten Jungspieler bis hin zum bierbäuchigen Altherren-Fußballer war jeder Fußballertyp vertreten. Aber vor allem bot das Spiel Gelegenheit durch das Stadion zu spazieren und Fotos zu machen. Der Vollständigkeit halber das Endergebnis: 0:2 vor 40 Zuschauern.

Nach dem Spiel wurde dann erst mal das Herbergsbett im Olympiastadion bezogen. Leider Gottes hatte man aus dem Zimmer keinen Blick auf das Spielfeld. Also wieder raus und das Stadion nach einem offenen Tor abgesucht. Das einzige offene Tor führte mich aber nur in irgendeine Tagung, wo ich etwas schräge Blicke kassierte. Um Fußball ging es da definitiv nicht, also wieder raus. Da der Stadionturm momentan saniert wird, gab es auch keinen offiziellen Weg ins Stadioninnere. Sehr schade. Heißt also, ich muss noch mal wieder kommen.
Zum weiteren Zeitvertreib kam mir dann das finnische Sportmuseum sehr gelegen. Aber kein Vergleich zum norwegischen Fußballmuseum in Oslo. Dann noch den Jugendmannschaften vom HJK Helsinki beim Training zugeschaut und irgendwann konnte ich endlich mein Geld an der Stadionkasse des Sonera Stadiums los werden.

26.09. (18.30) Klubi-04 – FC Futura, Kakkonen
Als Gegenleistung für 5 Euronen gab es ein Stück Papier mit der Aufschrift „Pääsylippu“, finnisch für Eintrittskarte. Wenig später wurde mir auch noch das Programmheft persönlich überreicht, druckfrisch. Feine Sache.
In Sachen Stadionwurst-Test machte ich mir im Vornherein ob des finnischen Preisniveaus keine großen Hoffnungen. Aber siehe da, Überraschungen gibt es immer wieder: die Bockwurst in der Serviette mit „Ketchup/Senf - all you can eat“ und einer Scheibe Rosinenbrot kostete gerade mal 2€. Ein wahres Schnäppchen. Also wenn ihr in Helsinki mal günstig essen wollt, dann hier. Alternativ gibt es asiatische Instant-Nudeln in der Kaufhalle für 0,60 €. So viel zur Ernährung. Zurück zum Fußball.
Zum Drittligaspiel zwischen der Nachwuchsmannschaft des HJK Helsinki (Klubi-04) und FC Futura verliefen sich gerade einmal 100 Zuschauer. Wirkte in dem 10.000er-Stadion doch leicht verloren. Am Ende gab es einen verdienten 3:0-Heimsieg.

Die Nacht im Hostel verlief dank knarzender Holzbetten und einiger Schnarchnasen nicht 100%ig erholsam, aber was solls, wann nächtigt man schon mal in einem Stadion.

Am Dienstagmittag sollte es dann mit der Fähre zurück nach Tallinn gehen. Auf dem Weg zum Hafen schien heute die Sonne und ließ Helsinki so ein bisschen schöner aussehen.
Im Fährterminal gab es im Vergleich zur Hinfahrt sogar etwas Erwähnenswertes: eine Verkaufsveranstaltung der Schiffsstewardessen. Erst ein bisschen Schlagermusik und dann die aktuellen Angebote aus den Geschäften der Fähre. War ne Mischung aus Kluburlaub und Heizdecken-Verkaufsveranstaltung. Also recht unterhaltsam.
Dank des herrlichen Wetters wurde das Sonnendeck auf der Fahrt endlich mal seinem Namen gerecht. Dazu die endlose Weite des Meeres. Schön. Fast, wie Urlaub.

Zurück in Tallinn die Herberge für die letzten beiden Nächte aufgesucht. Da diese teilweise noch eine Baustelle war, gab es ein ziemlich günstiges Einzelzimmer. Luxus pur.
Am Nachmittag rief dann wieder der Fußball.

27.09. FC Levadia – FC Viljandi, Meistriliiga
Mit dem Bus ging es in einen weiteren Bezirk am Stadtrand. Am Stadion angekommen, umwehte mich ein Hauch des professionellen Fußballs. Zunächst kostete der Eintritt 4€. Und später bei meiner Stadionrunde stellte sich mir der „Security-Manager“ vor und klärte mich über die Grenzen zwischen Zuschauer- und Spielerbereich auf. Man kann es auch übertreiben. Auf dem ganzen Sportplatz verliefen sich gerade mal 55 Zuschauer zu diesem Erstliga-Spiel. Aber bevor ich ein mehrjähriges Stadionverbot in Estland riskiere, folgte ich den Anweisungen lieber. Schließlich wollte ich meinen persönlichen Spielplan noch erfüllen. Ach so, das Spiel endete 2:0. Und es war recht kalt, wegen der steifen Brise der nahegelegenen Ostsee.

Am Mittwoch hatte ich dann ausreichend Zeit für Freizeit.
Neben dem Hostel fiel mir schon am Tag zuvor ein recht wuchtiges Gebäude am Meer auf. Also mal hin. Und ich war baff. Ein Riesenbeton-Sowejt-Bau, diese Linnahall.
Da mir irgendwie die sauberen Socken ausgingen, entschied ich mich gegen weitere  kulturelle Ausflüge und für eine kleine Shopping-Tour. An einer Bushaltestelle stand dann ein Bus mit der Aufschrift „Shopping-Centre Irgendwas“. Also rein und ab ging die Fahrt. Ich dachte schon der Bus fährt sonst wo hin, da er keine Haltestelle anfuhr. Aber da ich nicht der einzige Buskunde war, war mir das auch Wurst. Hatte ja eh nichts anderes zu tun und so eine Busrundfahrt ist schließlich auch nett. Irgendwann hielt der Bus dann doch vor einem Monster-Konsumtempel, wohl der größte des Landes. Ich fasse meine Erlebnisse kurz zusammen: Socken gekauft, günstig beim Asiaten gemittagt und die Biermarken in der Kaufhalle begutachtet.
Nach diesem Ausflug in die glamouröse Welt der schönen und reichen Esten sowie Ausländer warteten die letzten beiden Spiele der Reise auf mich.

28.09. (17.00) Tallinna Kalev -  FC Infonet, Esiliiga
Pünktlich auf dem Weg zum Stadion fing es wieder mal an, in Strömen zu regnen. Aber was nimmt man nicht alles auf sich, um ein Spiel im wohl schönsten estnischen Stadion zu sehen.
Das Kalevi Keskstaadion ist ein wunderschönes Oval mit Holzsitzbänken und einem markanten Haupttribünenteil. Da bezahlt man doch gerne 2€ Eintritt.
Das Spiel war somit Nebensache, aber doch recht unterhaltsam. Endstand 3:0. 72 der 12.000 Plätze waren besetzt. Aufgrund des Regens sammelten sich alle unter der kleinen Überdachung im VIP-Bereich und so ergab sich eine gewisse Gemütlichkeit.
 



28.09. (20.30) FC Olympic – Kalju II, II liiga Ida/Põhi
Am späteren Abend fand auf dem Nebenplatz des Kalevi Keskstaadions mein Abschlussspiel statt. Zur Feier des Tages gab es einen 0:12-Auswärtssieg vor 10 Zuschauern. Somit fielen also mehr Tore, als Zuschauer anwesend waren. Also was ganz besonderes zum Ende.

Damit war mein Plan erfüllt. Und es wurde Zeit, am Donnerstag wieder gen Heimat zu reisen.11 Spiele an 6 Tagen reichen ja auch.

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