Montag, 16. April 2012

Easter eggs from Eastern Germany

Zugmarathon zum Osterfest nach Györ und Belgrad



Donnerstagabend, im Zug von Erfurt über Würzburg nach München. Während sich der Reiseteilnehmer mit einem SMS-Flirt-Chat beschäftigt, kommt sich die Reiseleitung zu Reisebeginn leicht überflüssig vor und intensiviert darum den Kontakt mit dem Getränkebecher. Selbst der eigentlich über allem stehende Mau-Mau-Marathon fällt der mentalen Abwesenheit der halben Reisegruppe zum Opfer. 
Im Nachtzug von München nach Ungarn fällt das Schlafen recht schwer, da immerzu irgendein Schaffner oder Querulanten anderer Art die Ruhe stören. Aber gut, für wenig Geld kann man halt nicht viel erwarten. 

Entsprechend kommen wir in Györ nur halbmunter an, Freitagfrüh gegen 7. Nachdem die Fahrkarten für die Weiterfahrt am Abend nach Budapest gekauft, der Reiseproviant wieder aufgefüllt und die Rücksäcke verstaut sind, kann der Tag in der Stadt beginnen. Wir haben bis zum abendlichen Spielbesuch immerhin fast 10 Stunden zur freien Verfügung. 
Um uns einigermaßen in Schwung zu bringen, stärken wir uns aber erstmal ausgiebig. Dann geht es auf einen kleinen Stadtrundgang. Die Häuser und Strassen der Altstadt wissen wirklich zu gefallen. Ein ziemlich nettes Örtchen. Auffällig ist auch die Touristinformation: was für ein hypermoderner, futuristischer Laden mit einem Haufen junger Frauen, die recht beschäftigungslos an der Infotheke sitzen. Total überdimensioniert. 
Allzu viel Zeit zum Verweilen haben wir aber nicht, denn Dank eines eher zufälligen Blicks auf die Spielpläne der ungarischen Juniorenligen am Vortag steht um 11 Uhr schon der erste Spielbesuch auf dem Plan, praktischerweise auf einem Nebenplatz des örtlichen Stadions. Zuschauerfreundlich findet gleich im Anschluss das nächste Spiel statt, groundhopperfreundlich aber auf einem anderen Nebenplatz. Da kann man ja nicht nein sagen. 

06.04. 11.00 Györi ETO FC – Ferencváros (U18) / 13.00 Györi ETO FC U12 – Tapolca FC (U13) 
Bis zum eigentlichen Hauptspiel bleiben nun noch 3 Stunden. Schön, wie die Zeit vergeht. Als Beschäftigungsort haben wir uns das direkt am Stadion befindliche Einkaufszentrum ausgewählt. Von außen verspricht es Einiges. Innen sieht die Welt dann echt trostlos aus. Auf 3 Etagen sind insgesamt nur ein Drittel der Ladenflächen belegt. Letztlich nutzen wir die einzig sinnvollen Angebote: einen Imbissstand, eine Bäckerei, eine Bar und die Kaufhalle. Vor allem die Zeit in der Bar vergeht wie im Schlaf… 

06.04. 18.00 Györi ETO FC – Kaposvari Rakoczi FC, Nemzeti Bajnokság
Das dann im Stadion Erlebte wird uns wohl nicht ewig in Erinnerung bleiben (wenn es denn überhaupt Erinnerungen gibt). Einzig ein Vater-Sohn-Gespann sorgt mit feinstem Sächsisch für Erheiterung --> Györ – Stadt der Begnungen. 

Nach dem Spiel geht es endlich wieder Zugfahren. Im Zug nach Budapest gibt es nur noch im Bordrestaurant freie Sitzplätze, direkt neben zwei jungen Portugiesen auf Chemie. Die beiden stellen sich als recht unterhaltsam und spendabel heraus (Ja zum Bier, Nein zu Drogen). Nach dem Umstieg in Budapest treffen wir im Nachtzug nach Belgrad gleich auf die nächsten Touristen, dieses Mal Amerikaner. Da diese jedoch unverständlicherweise meine „Easter eggs from Eastern Germany“ (also Ostereier aus Ostereierdeutschland) ablehnen, gibt es von unserer Seite her keine Basis für eine weitere Kommunikation. Also ab ins Bett. Dieses ist dann so bequem, dass ich gar nicht merke, wie ich während der Fahrt meine Geldscheine verliere. 

Kurz nach 6 in Belgrad angekommen, ist unser gebuchtes Hostel das erste Ziel. Nachdem wir den Besitzer geweckt haben, sind wir eigentlich bereit, direkt unser Zimmer zu beziehen. Daraus wird aber Dank einer Doppelbuchung nichts. Statt im Hostel sollen wir im Apartment eines Freundes untergebracht werden. Nachdem wir diesen dann auch geweckt und anschließend aus seiner Wohnung „vertrieben“ haben, haben wir eine kleine, nette Wohnung für uns alleine. Inklusive Internet und TV. Prima! 
Nach einer kurzen Schlafpause mache ich mich daran, Karten für das Spiel am Abend zu besorgen. Die gibt es dann ohne Probleme an der Kasse des Roter Stern-Stadions. Zurück in „unserer“ Wohnung können wir uns gegenseitig nicht für eine Stadtbesichtigung motivieren, trotz bestem Frühlingswetters. Stattdessen schauen wir das Auswärtsspiel der Rot-Weißen in Münster im MDR-Stream. Wenn man schon mal in Belgrad ist ;) Anschließend geht es zum ersehnten Spiel. Dank meiner Nervosität bleibt nicht viel Zeit für ein entspanntes Essen davor. 

07.04. 18.00 FK Crvena Zvezda – FK Metalac, SuperLiga
Das Spiel und das Drumherum erfüllen unsere Erwartungen dann voll und ganz. Es fallen 5 Tore. Dazu gibt die Heimkurve von Roter Stern ordentlich Gas. Abwechslungsreiche, eingängige Melodien, immer wieder von etwas Pyrotechnik unterstützt. Richtig gut! 


Am nächsten Morgen übergeben wir das Apartment wieder seinem Besitzer und machen uns auf den Weg zum nächsten Spiel. 

08.04. 11.00 FK Hajduk Beograd - FK Zemun, Srpska Liga Beograd
Am Hajduk-Stadion angekommen, ist nicht wirklich viel los. Immerhin gibt es kein Vereinsheim. Wir bereiten uns auf einen entspannten Kick vor. Plötzlich schallen Gesänge zwischen den Wohnhäusern, die das Stadion umgeben, hervor und wenig später entern etwa 250 Motivierte den Gästeblock. Der Zaun wird ordentlich beflaggt. Dann wird begonnen, den Klub lautstark zu unterstützen. Richtig geiler Auftritt, da für uns völlig überraschend. Auf Heimseite bemühen sich etwa 20 Jugendliche die Gäste zu provozieren, was aber letztlich ziemlich lächerlich wirkt. Auffällig sind ansonsten noch einige Böllerwürfe der Gäste Richtung Heimtorwart, die niemanden stören. Nicht einmal der Torwart erschrickt, als so ein Böller direkt neben ihm explodiert. 

Nach dem Spiel machen wir uns auf den Weg Richtung Innenstadt. Bei einem Asiaten gibt es etwas zum Mittag. Ein voller Bauch gepaart mit Müdigkeit bewirkt anschließend null Motivation für eine Stadtbesichtigung. Auf energisches Treiben des Reiseteilnehmers hin gibt es dann aber doch noch etwas Kultur: den Platz der Republik und die alte Festung. Im Anschluss geht es mit einem Taxi zum nächsten Spielort. Auf der Fahrt bekommen wir weitere Sehenswürdigkeiten zu sehen: Kriegsruinen vom NATO-Angriff 1999 und ein riesiger Park/Wald. 

08.04. 16.00 FK BASK – FK Slavija Beograd, Srpska Liga Beograd
Vor recht wenigen Zuschauern ohne jegliche Fangruppen plätschert das Spiel so vor sich hin. Aus der benachbarten Hockeyhalle schallen gelegentlich ein paar Gesänge herüber. 

Nach dem Abpfiff bewegen wir uns Richtung Bahnhof. Unterwegs machen wir noch eine Bierpause in einem Lokal, inklusive Bundesliga im TV, befüllen unsere Rucksäcke mit Proviant und nehmen einen letzten Imbiss an einem Grillstand. Am Bahnhof angekommen haben wir noch 1000 Dinar im Geldbeutel. Also entern wir das Bahnhofsrestaurant, das einen feinen Ostcharme versprüht. Für unser Geld bekommen wir zwei Bier, zwei Martini, zwei Pelinkovac und zwei Salate. Die letzte Stunde in Belgrad vor der Abfahrt gen Budapest ist also sinnvoll genutzt. 
Im Nachtzug zeigt uns der Schaffner, wie wir unsere Kabinentür mit einer Eisenstange ordentlich verriegeln können. Gewusst wie, sag ich nur. Bei der Grenzkontrolle zeigt sich eine Beamtin von meinem Passbild begeistert („Super Foto!“). Prima. 

Budapest erreichen wir abermals am frühen Morgen. Gegen 6 Uhr ist ein Fast Food-Restaurant der einzige Zufluchtsort, um die 5 Stunden bis zur Weiterfahrt möglichst bequem verbringen zu beginnen. Nach einer Stärkung und gepflegten Morgentoilette spazieren wir noch ein wenig durch das frühlingshafte Budapest und stocken zum letzten Mal unseren Reiseproviant auf. Gegen Mittag besteigen wir den Zug gen Prag. Mit uns im Abteil ein übermäßig freundlicher und hilfsbereiter Mensch, dessen Verhalten uns sehr erheitert. Zur Erheiterung trägt auch das ein oder andere Kaltgetränk bei. Glücklicherweise hat der Reiseleiter seinen Beutel vor der Abfahrt gut gefüllt, sodass die komplette Reisegruppe davon zehren kann. Die erste Etappe gen Heimat verläuft somit wie geschmiert. 
Im Zug ab Prag versammeln sich alle Menschen ohne Reservierungen im mit Teppich ausgelegten Fahrradabteil. Mit der ein oder anderen MauMau-Runde zwischen herumtollenden Kindern und neben den Schlangenfreunden Usti n.L. macht sich eine ziemliche Gemütlichkeit breit. Aber leider nur bis Dresden, wo die Drachen der DB die Zugleitung übernehmen und uns in die „Bauernklasse“ vertreiben. Ziemlich geschlaucht, aber glücklich, und voller Vorfreude auf das eigene Bett erreichen wir gegen Mitternacht die Blumenstadt. 
4 Tage, 4 Nächte (davon 3 im Nachtzug), mehr als 2500 Schienenkilometer und 6 Spielbesuche hinterlassen halt ihre Spuren.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

mal wieder ein klasse Bericht....schade das man nicht selber am Start sein konnte...grüße an die Reisegruppe aus der Landeshauptstadt.....

Robert hat gesagt…

Wiedermal ein sehr schöner Bericht von dir ;) Macht mal wieder Lust auf Osteuropa.
Man sieht sich dann beim nächsten Ü35-Spiel.:D

Gruß Robert