Donnerstag, 24. Mai 2012

Ruhm und Ehre für Prahas Amateure

Was ist der einzige Vorteil der Sommerpause?
Man kann ohne ein schlechtes Gewissen, den Heimverein zu vernachlässigen, in die Ferne schweifen und neue Sportstätten entdecken.
Schnell hatte sich eine vierköpfige Reisegruppe gefunden, um das Wochenende nach Männertag mit tschechischem Fussball zu verbringen.
Letztlich schrumpfte die Gruppe noch um zwei Leute, aber auch für das verbliebene Reiseduo hatte Blaumann-Reisen ein reizvolles Reiseprogramm parat.

So ging es am Freitagnachmittag mit dem schnellsten Zug der Deutschen Bahn gen Dresden und weiter mit dem Eurocity im Sonnenuntergang die Elbe entlang nach Prag.
(Ja, der Wohlstand hat uns eingenommen: keine halbtägigen Fahrten mehr in Bummelzügen oder gar nächtliche Grenzübertritte zu Fuß - zumindest dieses Mal...)
Bei der Herbergssuche holte uns dann doch wieder unsere angeborene Sparsamkeit ein. Da im Zentrum alle günstigen Hostels belegt schienen, wurden wir in die Vororte "vertrieben". Im Stadtbezirk Libuš hatte sich schließlich eine Hotel bereit gezeigt, uns günstig aufzunehmen.
Dort angekommen, es war bereits 22.30 Uhr, dampfte im Innenhof des Hotels noch der Grill, Männer spielten Tischtennis, im Restaurant floß das Bier - ein traumhafter Ort. Und so bekamen auch wir noch unser Feierabend-Pivo und eine Klobasa erster Güteklasse. So sieht ein gelungener Auftakt aus!

Am Samstagmorgen von der Sonne geweckt, fühlten wir uns wie im Urlaub. Eigentlich hatte nur noch das Meer vor der Haustür gefehlt. Statt Baden ging es aber, wie gewohnt, zum Fussball. Keine 10 Minuten Fußweg von der Herberge entfernt, befand sich der Sportplatz des örtlichen Fussballklubs, FSC Libuš.

10.15 FSC Libuš - TJ Sokol Královice, Krajský přebor, Praha
 
Für 30 Kronen durften wir die Anlagen betreten. Zu unserer Freude war am Vereinsheim schon gut Betrieb (Das ist ja immer ein Zeichen für ein gesundes Vereinsleben und Gastfreundlichkeit). Im Spiel der Prager "Stadtliga" (5.Liga) gab es dann einen 5:1-Heimsieg, der dann doch irgendwie wieder nur zur Nebensache wurde. Die Schuld schiebe ich hier mal auf die wärmenden Sonnenstrahlen, das kühle Pivo, die Kleidungsordnung der einheimischen Damen und die allgemeine harmonische Atmosphäre am Platz bei 120 Menschen.

Nach dem Abpfiff ging es direkt weiter zum nächsten Spiel.
Dank einer reiseorganisatorischen Meisterleistung des Reiseleiters konnten wir unsere Körper dabei schonen: mit dem Bus von der einen Haltestelle direkt vorm Sportplatz bis zur nächsten Bushaltestelle neben dem Sportplatz.
Der zweite Platz des Tages befand sich in einem weiteren Randbezirk - Háje, ein Teil der größten Wohnsiedlung Tschechiens, Jižní Mesto. Plattenbau olé!

13.00 FC Háje Jižní Město B - TJ Jižní Město Chodov, 1.B třída skupina B, Praha

 
An der Anlage angekommen, mussten wir zunächst das Vereinsheim passieren. Und was hängt dort an der Pinnwannd? Ein Zeitungsartikel über Filip Twardzik, mit einem Verweis auf seinen Vater Rene und dessen Tätigkeit als Torwarttrainer in Erfurt. Schön. Da fühlt man sich doch gleich wohler. Das Wohlgefühl stieg weiter mit einem frischgezapftem Pivo auf der Terrasse, die direkt am wohl nicht mehr genutzten Rasenplatz liegt.
Stattdessen spielt man auf einem Kunstrasenplatz, der hinter dem alten Platz liegt. Die Sicht auf das Spielgeschehen war somit für die ersten Minuten leicht eingeschränkt. Schuld daran war auch die frisch gegrillte Klobasa, die mit Teller und Besteck serviert wurde. Da muss man halt mal Prioritäten setzen - Gesundheit und körperliches Wohlbefinden sind schließlich das A und O.
Den Platzwechsel auf den Hintertorhügel in die pralle Nachmittagssonne vollzogen wir dann Mitte der ersten Halbzeit. Wir schienen nicht viel verpasst zu haben und würden wohl auch nicht viel verpassen. Das spielerische Niveau hielt sich arg in Grenzen - 7.Liga halt. Trotzdem gab es letztendlich 2 Tore für die Heimmannschaft zu bestaunen (vor 40 Zuschauern).

Bis zum dritten und letzten Spiel des Tages blieb nun etwas mehr Zeit. So gönnten wir uns im Plattenbau-Konsum ein Blockeis Russischer Art - Balsam für unsere aufgeheizten Körper.
Im Stadtteil Krc angekommen, war das örtliche Stadion schnell gefunden. Man war das geil! Zugewachsene Stufen auf den Längsseiten und die wohl schönste Anzeigetafel der Welt in Form eines Fussballs!
Unsere Euphorie wurde kurz darauf aber schnell gebremst. Ein Opa kam aus dem Vereinsheim auf uns zu. Auf unsere Frage hin, ob denn das Spiel stattfinden würde, winkte er nur ab und erzählte irgendwas mit Eishockey.
Ein paar mehr Tschechisch-Kenntnisse wären da echt von Vorteil gewesen. Schlußendlich haben wir aus dem Gespräch so viel mitgenommen, dass das Spiel wegen des gleichzeitig stattfindenden Eishockey-WM-Halbfinales Tschechien vs. Slowakei verschoben wurde. So ein Mist! In diesem Moment hat Tschechien echt einigen Kredit bei mir verspielt. Eishockey...wer will das denn sehen ?!?
Zum Frustabbau gingen wir erstmal weiter. Im angrenzenden Baseballstadion spielten gerade irgendwelche Jugendmannschaften - das Niveau sinkt immer weiter. Immerhin hatte die Vereinsgaststätte geöffnet und konnte uns somit mit kühlen Getränken versorgen.
Was nun tun mit der plötzlichen Freizeit? Bootsfahrt? Stadtrundgang? Kneipentour? Was auch immer, auf dem Weg zur Bushaltestelle mussten wir wieder am Fussballstadion vorbei.
Und was ist da los? 2 Mannschaften laufen sich warm! Jawoll! Das Glück ist bei uns! Der Kulturkram blieb uns erspart! Und natürlich waren sofort alle vorherigen negativen Gedanken über dieses tolle Land wie weggeblasen. Wobei ich mich immer noch frage, warum der ältere Herr beim Blick auf die Ansetzung des Spiels den Kopf geschüttelt hat. Naja, auch egal. Hauptsache der Ball rollt!

17.00 SK Sparta Krč B - TJ Kyie B, 2.třída skupina D, Praha

Begleitet wurde das Achtligaspiel von zwei lauffaulen Senioren als Linienrichter (darunter unser "Freund"). Ziemlich kultig. Neben uns fanden sich tatsächlich doch noch weitere Zuschauer ein (1 Hund, 2 Kleinkinder und 9 Erwachsene), um dem recht unterhaltsamen 2:3-Auswärtssieg beizuwohnen. Insgesamt das absolute Highlight des Tages, auch Dank des Wechselbades der Gefühle.

Für die Abendgestaltung hatten wir uns das Restaurant unserer Herberge ausgeguckt. Die Argumente günstige Preise, Großbildfernseher und kurzer Heimweg waren einfach unschlagbar.
So ging der Tag beim Schauen des Champions League-Finales, Pivo trinken und essen äußerst entspannt zu Ende. Dazu machte sich derr Tagesverlauf auch langsam bemerkbar. Für Unterhaltung sorgte noch der eine oder andere betrunkene Einheimische, der mal eben in die Lokalität schwankte, was aß und wieder raus schwankte. Prima.

Der Sonntag sollte mit einem Spielbesuch in Holešovice beginnen. Das Stadion von TJ Lokomotiva Praha hatten wir bereits mal besichtigt. Bemerkenswert ist vor allem das Volleyballfeld.

10.15 Loko Vltavín B - SK Aritma Praha, Krajský přebor, Praha
 
Aber auch das Fünftligaspiel wusste zu gefallen und endete 5:1 vor 70 Zuschauern.
Leider entdeckten wir den Getränkeverkaufsstand erst nach dem Abpfiff - sonst wäre das Vergnügen wohl noch größer gewesen.

Anschließend ging es wieder durch das wirklich eng gestrickte Netz des öffentlichen Nahverkehrs zum eigentlichen Höhepunkt des Wochenendes: das Stadion Marketa, ein Speedway-Stadion mit Fussballfeld im Inneren.
Bei unserer Ankunft wehten bereits die Eckfahnen im leichten Sommerwind, Männer mit Sporttaschen betraten das Vereinsheim. Da bis zum Anstoss noch reichlich Zeit treten wir in Ruhe die obligatorische Stadionrunde und besichtigten die Trophäen des Speedway-Klubs im Vereinsheim. Und was sehen unsere Augen da? Die Krämerbrücke. Auf einer bronzenen Ehrentafel des Motorsportclubs Dynamo Erfurt. Wie klein die Welt doch ist.

Als der Platzwart plötzlich mit seinem Mini-LKW los fuhr, um die Eckfahnen und Trainerbänke einsammelte, wollten wir unseren Augen zunächst nicht mehr trauen. Vom einen auf den anderen Moment war klar: hier findet heute kein Spiel mehr statt. Wieso, weshalb, warum - keine Ahnung. Die Enttäuschung war natürlich riesig.
Zur Frustbewältigung wurde erstmal eine nahegelegene Lokalität aufgesucht, um bei Pivo und Essen neuen Lebensmut zu schöpfen. Schließlich waren wir im Urlaub und hatten plötzlich einen Freizeitüberschuss, den es bestmöglich zu verbringen galt. Schließlich verging die Zeit bis zur Heimfahrt wie im Flug. Und schon saßen wir wieder im kuschelig warmen Zug nach Erfurt, womit der Ausflug mal wieder viel zu früh endete.

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